Dienstag, 2. März 2010

Der Staat und die Wohnheime


Jeder Iraner weiß: nicht nur das jetzige Regime Irans schlägt seine Studenten nieder. Am 7. Dezember des Jahres 1953 töteten Regierungkräfte des Schahs drei Studenten. Seitdem ist dieser Tag der Studententag im iranischen Kalender. Damals protestierten die Studenten gegen den Staatsbesuch des amerikanischen Vize-Präsidenten Richard Nixon.

Vor zehn Jahren
Vor allem das Wohnheim der Teheran-Universität war oft Schauplatz der Studentenunterdrückung und Gewalt. Vor zehn Jahren wurde das Wohnheim nachts gestürmt, weil die Studenten sich wegen des Schließens einer Zeitung, die den damaligen Präsidenten Khatami unterstütze, versammelten. Die Hauptstadt war unruhig, die Zeitungen, die von den Unruhen berichteten, verkauften sich gut. Obwohl die Unruhen sehr klein waren, hoffte man auf eine Änderung. Den Studenten wurde von der Regierung viel versprochen, damit sie mit ihren Protesten aufhörten. So kam es zu Gerichtsverhandlungen. Am Ende der Gerichtsverhandlungen bekam nur der Anwalt der Studenten eine lange Haftstrafe. Von den Attackierenden bekam nur einer eine Haftstrafe: für das Klauen einer Rasiermaschine! Daraufhin verlangten die Studenten ein Treffen mit Präsident Khatami. Als er dies ablehnte, fing der Zweifel an den Reformisten an. Manche meinten, die Islamische Republik sei nicht reformfähig, die anderen meinten, Khatami sei ein Philosoph und kein Politiker.   

Vor acht Monaten
Nach den Präsidentschaftswahlen war das Wohnheim der Teheran-Universität wieder einmal Szene der Gewalt (siehe Artikel: Angriff auf Studenten). Iranische Studentenwebseiten wie Amir-Kabir berichteten von einem Angriff von Ansar-e-Hezbollah (siehe Kommentar von Publicola zum oben erwähnten Artikel), die später von der Polizei unterstützt wurde.

Warum hat das Regime solch eine Angst vor den Studenten der Wohnheime?
Die Unterdrückung der Studenten im Iran hat die Studenten noch nie zum Schweigen bringen können. Weder in der Schah-Zeit, noch vor zehn Jahren. Studenten wurden durch solche Aktionen lauter und radikaler. Unpolitische Studenten wurden politisch. 

Studenten im Iran, die in den Wohnheimen leben, sind normalerweise von ärmeren Familien, die sich keine Wohnungen und Häuser mit ihren Freunden leisten können. Mehrere Studenten teilen sich ein Zimmer; sie kennen also die Probleme des Landes gut. Außerdem sind solche Studenten besonders intelligent. Jeder Iraner weiß, wie schwierig es ist, an Universitäten Teherans teilnehmen zu dürfen. Es gibt einen Test, an dem zehntausende teilnehmen. Nur die besten Hundert haben eine Chance sich an Teherans Universitäten einzuschreiben, es sei denn, man ist Bassij-Mitglied. Die Studenten der Teheran-Universität kennen also nicht nur die Probleme, sie verstehen auch die Gründe der Probleme. Und Wohnheime sind eine guter Platz für Meinungsaustausch. Zudem sind iranische Studenten politisch gesehen sehr wichtig (siehe erster Paragraph vom Artikel "Zeidabadi und seine Familie").

Wiederholter Fehler: Snobs, die arm sind

Es heißt, die Sepah rechnete mit kleinen Protesten der Wähler nach der Wahlfälschung. Manche Aussagen der Sepah-Mitglieder bestätigen dies. Ihre Theorie war, Mousavi und Karroubis Wähler seien hauptsächlich Snobs. Schläge man sie einmal mit Schlagstöcken, würden sie zurück in ihre Häuser gehen. So eine Ansicht über die Studenten des Wohnheims zu haben zeigt, wie wenig die Sepah die Gesellschaft kennt.

1 Kommentar:

  1. »Die Unterdrückung der Studenten im Iran hat die Studenten noch nie zum Schweigen bringen können.«

    Unterdrückung – 3 Reaktionen

    I. Proteste, Forderungen nach Reformen, „Grüne Bewegung“
    Siehe derzeitige Berichterstattung

    II. Byzantinismus*), Schmeichelei
    »Freiheit ist allmächtig und daher in der Lage, den Ambitionen und Bestrebungen hohen Intellekts gerecht zu werden, um die Flamme des Wetteiferns und des ehrgeizigen Bemühens um die höchste Stelle lebendig zu halten. … so dass diese kreativen Kräfte auf natürliche Weise, weil in Freiheit, erstrahlen. … Aber wir von heute haben in unserer Kindheit offenbar die Lektionen eines milden Despotismus erlernt …. Daher entwickeln wir nichts als eine ausgezeichnete Begabung für Schmeicheleien. «
    (Pseudo-)Longinus, "Peri hypsous" ("Über das Erhabene“)
    [in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. publiziert; eines der bedeutendsten dichtungstheoretischen Werke der Antike, auf Griechisch verfasst]

    III. „brain drain“
    Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds hat die islamische Republik Iran die höchste Rate „der Abwanderung von Fachkräften“/brain drain" unter 61 untersuchten Entwicklungsländern.
    Mehr als 150.000 Iraner verlassen die islamische Republik jedes Jahr, und geschätzte 25% aller Iraner mit postsekundären Ausbildung leben derzeitig im Ausland in „entwickelten“ Ländern der OECD. Ursachen der Abwanderung werden von einigen einem „engen inländischen Arbeits/Stellenmarkt“ und „strikten gesellschaftlichen Codes“, die durch die islamische Regierung auferlegt werden, zugeschrieben.
    Die politische Unterdrückung im Anschluss an die Wahl-Proteste von 2009 soll einen "sich ausbreitenden Flüchtlings-Exodus" von Elite-Iranern in Gang gesetz haben.
    http://en.wikipedia.org/wiki/Iran%27s_brain_drain

    *) Byzantinismus ein Begriff für „kriecherische“ Unterwerfung und Ergebenheit.

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