Montag, 21. Juni 2010

Tajzadeh: "Reformisten müssen gestehen"

Mousavi, Tajzadeh

Tajzadeh schrieb vor kurzem eine wichtige Analyse über die aktuellen Probleme des Landes. Der Titel seiner Analyse ist "Vater, Mutter, wir sind wieder Angeklagte". Diese Analyse ist an sich interessant und beinhaltet gleichzeitig viele wichtige Fakten. Ein Teil dieser Analyse (der dritte Teil), der die Vergangenheit vieler Reformisten kritisiert, habe ich mir zur Übersetzung vorgenommen und ist im Folgenden zu lesen.



Hintergrund

In den frühen 80er Jahren, kurz nach dem Sieg der Islamischen Revolution, wurden im Iran Tausende von politischen Gefangenen auf Befehl von Ajatollah Khomeini hingerichtet. Viele der heutigen Reformisten wie beispielsweise Mousavi oder Karroubi waren bekannte Anhänger von Ajatollah Khomeini. Viele dieser Reformisten erklären, dass sie immer noch den Prinzipien des Ajatollah treu sind, und viele sind es sicher auch wirklich. Es gibt leider sehr wenige historische Dokumente über diese Zeit. Das bekannteste ist ein Buch vom verstorbenen Ajatollah Montazeri, in dem er die Hinrichtungen in großen Maßen bestätigte. Später schrieb auch Dr. Maleki über seine Erinnerungen im Gefängnis und die Massenhinrichtungen. Seine Notizen wurden in der gefilterten, im Iran meistgelesenen Onlinezeitung Roozonline veröffentlicht. Diese Notizen sind für mich der wahrscheinlichste Grund seiner Verhaftung.

Die fettgedruckten Sätze sind in der Original-Analyse unterstrichen und sind vom Autor als besonders wichtig gekennzeichnet, nicht von mir.
"Drittens, meine Konfession"
[...]
"Manche Verhörer versuchten mit Erinnerung an den Extremismus des ersten Jahrzehnts nach der Revolution [80er Jahre] mich, Imams Anhänger [mit Imam ist Ajatollah Khomeini gemeint] und [damit] die heutigen Reformisten als "Faschisten" zu bezeichnen. Gegenseitig mit Erinnerung an manches faschistische Verhalten, das in Gegenwart und vor den Augen des iranischen Volks wiederholt wird, erklärte ich, dass wir alle große Fehler gemacht haben. Aber statt die positiven Aspekte unseres Verhaltens fortzusetzen, setzt ihr unsere Fehler fort, obwohl das Land weder vom Krieg noch von massiven Terroranschlägen betroffen ist. Aus diesem Grund kann man heute nicht mehr von "Fehler" und Unerfahrenheit der Revolutionären sprechen. Unser Fehler war, dass wir gegen manches Verhalten des Revolutionsgerichts keine Position ergriffen haben." [...]
"Ich äußere mich klarer, die bestätigende Stille [keine Position zu nehmen ist gemeint] über die Art und Weise der Gerichtsverhandlungen des Revolutionsgerichts war unser Fehler, aber die lose Verhaftung der Kritiker, die das gesetzlich kritisierten, das Foltern der Zivilisten und dazu direktes Erschießen dieser ist ein so schreckliches Phänomen, dass das Wort "Fehler" keineswegs sie beschreiben kann. Aus diesem Grunde müssen wir gestehen, aber nicht in den Show-Gerichtssälen und so wie die Verhörer es verlangen sowie auf abergläubische Anschuldigungen und Taten, die wir nicht begangen haben, sondern vor dem Volk und basierend auf Tatsachen. Die Revolutionsgeneration [damit sind die Reformisten gemeint] muss gestehen, aber nicht für ihr heutiges Bemühen zur Realisierung von Demokratie und Menschenrechten, sondern für die nicht korrekte und vollständige Verwendung der Chance [...]."
"Und wenn man gestehen muss, und sich entschuldigen will und das muss man, dann für das schlechte Verhalten gegenüber Bazargan und Dr. Sahabi [s. Artikel Mousavis großer Wandel?; Dr. Sahabi ist Sahabis Vater] und allen Politikern, die legal politisch aktiv sein wollten und denen das Recht dazu mit irgendwelchen Ausreden verwehrt wurde. Auch muss man sich bei den Bürgern entschuldigen und sich für das Einmischen in ihre privaten Angelegenheiten entschuldigen. Unser Fehler war, dass wir dachten, wir durchschnittlichen Menschen könnten die Türen der Weinhäuser schließen, ohne die Türen zur Heuchlerei zu öffnen [Dieser Satz ist die Wiedergabe eines Verses von Hafes]. [...] Folter ist in allen Zuständen Folter [in den Sätzen davor spricht er vom Krieg und Terror. Er will damit ausdrücklich sagen, dass weder Krieg noch Terror diese Taten rechtfertigen] und die Todesstrafe eines Gefangenen, die vorbestimmt ist, ungerechtfertigt."
[...] "Entschuldigen muss man sich bei der der neuen Generation, sicherlich auch nicht nur für Sachen, die ich grob aufgezählt habe. Diese Pflicht muss in einer Diskussion getan werden und es kann gut sein, dass ich viele der Fehler nicht kenne, die Jugend kann meinen Geist mit Kritik und tiefgründigen Fragen polieren und glücklich machen. [...] Dank der grünen Bewegung ist es möglich geworden, dass viele, die von den blutigen Konflikten der 80er Jahre betroffen [im Persischen kann in diesem Satz sowohl Täter als auch Opfer gemeint sein] waren, mit kritischer Erinnerung an diese Jahre zum Ergebnis kommen, dass so viel Brutalität und Blutvergießen keine "historische Not" gewesen war und dass man diese schrecklichen Ereignisse vermeiden konnte. Die Atmosphäre muss kritisch bleiben, weil [dann] eine unglaubliche Energie [in der Gesellschaft] frei werden wird, die den nationalen Rückschritt, Monopolisierung der Macht und Gleichgültigkeit über die Rechte anderer in der Politik hinterlässt."

Fußnote:
Tajzadeh fragt die Interessierten, ihre Fragen und Meinungen mit ihm zu teilen, damit er auf sie eingehen kann.


Vergleichbare Artikel:
Quelle (persich): http://www.emruznews.com/2010/06/post-1761.php
Tehranbureau: Reformists Should Ask Nation for Forgiveness; Part I (sehr empfehlenswert)
Zur Beisetzung der Frau von Ajatollah Montazeri

1 Kommentar:

  1. Alle Achtung für die Bereitschaft, die Vergangenheit nach so kurzer Zeit [im Vergleich mit europäischen Ländern] ernsthaft aufarbeiten zu wollen!

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