Ebrahim Nabavi (nicht zu verwechseln mit Behzad Nabavi, der übrigens wieder verhaftet wurde) ist ein Satiriker. Vor zehn Jahren, als er noch im Iran war und schreiben durfte, veröffentlichte er wöchentlich ein Transkript der Freitagspredigt eines gewissen Mullah Hassani ein. Jugendliche aus der Provinz Orumieh nahmen die Reden auf und schickten sie an Ebrahim Nabavi. Diese Kolumne wurde sehr beliebt. Ich kannte Menschen, die diese reformorientierte kritische Zeitung nur einmal die Woche kauften, um über Hassanis Reden zu lachen. Manche hielten die Reden Hassanis für erfunden, doch es wäre unmöglich, dass so etwas erlaubt wäre. Nach ein paar Monaten durften die Freitagspredigten Hassanis (siehe Fußnote) nicht mehr gedruckt werden, da das Regime verstand, dass die Reden zweckentfremdet wurden.
Heute zensiert das staatliche Fernsehen Irans sogar Freitagspredigten mancher Teheraner Freitagsprediger während einer Live-Übertragung! Manche neue Freitagsprediger können nämlich nicht normal sprechen. Sie verwechseln sogar Wörter miteinander, die häufig benutzt werden. Ihre Sätze ergeben zum Teil keinen Sinn. Der erste Freitagsprediger war Ajatollah Taleghani, hoch gebildet, sanft und sogar beliebt bei Regimegegnern. Vergleicht man ihn mit seinen Nachfolgern, fragt man sich, ob Mullahs, die fließend oder zumindest mit wenig Fehlern persisch sprechen können, nicht mehr den Aufforderungen von Ajatollah Chamenei nachkommen wollen. Rafsanjani darf oder will anscheinend nicht mehr solche Predigten halten. Großajatollahs werden vom Staat unter Druck gesetzt, weil Sie die staatliche gewalttätige Unterdrückung nicht begrüßen, zum großen Teil sogar kritisieren.
Eine Theokratie ist eben zum Scheitern verurteilt. Ein Zeichen dafür ist, dass sie seinen eigenen Prediger zensiert.
Fußnote: Mullah Hassanis Zitate
Leider kann man vieles nicht übersetzen, denn sie sind nur lustig, weil Hassani viele Sprachfehler einbaut. Hier ein paar Zitate (Quelle: Nabavis Homepage):
Leider kann man vieles nicht übersetzen, denn sie sind nur lustig, weil Hassani viele Sprachfehler einbaut. Hier ein paar Zitate (Quelle: Nabavis Homepage):
Aus der Rede Dringlichkeitsgrad drei:
"Heute war es nicht geplant, dass ich für Sie eine Rede halte, Gott wollte aber, dass es so wird. Warum? Gott mag Sie und wollte, dass Sie mir zuhören"
"Heute war es nicht geplant, dass ich für Sie eine Rede halte, Gott wollte aber, dass es so wird. Warum? Gott mag Sie und wollte, dass Sie mir zuhören"
Aus der Rede Ich bin heute sehr viel Demokratie:
"Und meine Botschaft ist, dass der Zionist Israel an Arafat gibt, ich selbst werde dann Arafat zur Seite schieben" (die Islamische Republik hatte keine gute Beziehung zu Arafat)
"Und Demokratie, auch wenn ich dieses Wort nicht mag, soll heute noch [Staatsform?] bleiben, und dieses Wort, das kommunistisch ist, soll mir übersetzt werden, damit ich es verstehe. Was bedeutet Demokratie?"
Dann fängt er an, England zu beschimpfen. Darauf kommt der Hammer:
"Muss jeder Botschafter Englands auch Engländer sein?" und schlägt Larijani, den heutigen Parlamentschef, als neuen Botschafter Englands im Iran vor.
"Und meine Botschaft ist, dass der Zionist Israel an Arafat gibt, ich selbst werde dann Arafat zur Seite schieben" (die Islamische Republik hatte keine gute Beziehung zu Arafat)
"Und Demokratie, auch wenn ich dieses Wort nicht mag, soll heute noch [Staatsform?] bleiben, und dieses Wort, das kommunistisch ist, soll mir übersetzt werden, damit ich es verstehe. Was bedeutet Demokratie?"
Dann fängt er an, England zu beschimpfen. Darauf kommt der Hammer:
"Muss jeder Botschafter Englands auch Engländer sein?" und schlägt Larijani, den heutigen Parlamentschef, als neuen Botschafter Englands im Iran vor.
Nach Überfliegen Ihres Textes:
AntwortenLöschenMein vermutender Verdacht hat sich bestätigt !
[soweit zunächst für heute - werde bestimmt nochmal ausführlicher auf Ihren Text zurückkommen]
»Flüchtete der Teheraner Konsul nach Norwegen wegen der Gewalt gegen Demonstranten ?
AntwortenLöschenSkandinavischen Medien berichten, dass ein hochrangiger iranischer Diplomat in Norwegen zurückgetreten ist wegen des jüngsten harten Durchgreifens gegen regierungskritische Demonstranten im Iran
"Es war die Art und Weise des Umgangs der iranischen Behörden mit den Demonstranten während des Weihnachts-Woche, die mir klarmachte, dass ich nicht weitermachen konnte", wurde Mohammed Reza Heydari in einem Bericht des norwegischen Sender NRK zitiert.
Iranische Beamte haben die Berichte als Gerücht zurückgewiesen. Ein Bericht des semi-offiziellen iranischen Nachrichtenagentur Mehr zitierte eine Quelle im Außenministerium, die den Bericht dementierte und ihn beschrieb als Teil einer westlichen "psychologischen Kriegführung" gegen den Iran. …. […] …«
http://latimesblogs.latimes.com/babylonbeyond/
Bericht der Los Angeles Times - 6. Januar 2010
EIN RÜCKBLICK
AntwortenLöschenoder
EIN VERGLEICH BRINGT LICHT IN DIE GESCHEHNISSE IN IRAN 2009
DEMONSTRATIONEN IN EUROPA 1950 - 2010
Während der Demonstrationen im Anschluss an die Wahlen im Sommer wurden im Iran laut Oppositionquellen 72 Leute getötet wurden, laut Regierungsquellen reduziert sich die zugegebene Anzahl der Toten auf 36 zugelassen.
‚KOMMUNISTISCHER‘ OSTBLOCK
Diese Zahlen sind von einem europäischen Nachkriegsgesichtspunkt ziemlich ungewöhnlich. Wenn man sich auf die Periode der letzten 60 Jahre beschränkt, lassen sich größere Zahlen von Demonstrationstoten i.d.R. nur im ‚kommunistischen‘ Ostblock beobachten, wo Abteilungen von ausländischen Truppen (!) bei der Unterdrückung der öffentlichen Willensbezeugung der Bevölkerung des jeweiligen Staates involviert waren.
Während des Aufstands in Ostdeutschland in 1953 erwähnen Quellen 55 Todesfälle. [„Der Aufstand in Berlin wurde gewaltsamdurch Panzer der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland und der `Volkspolizei' unterdrückt. Trotz der Intervention der sowjetischen Truppen konnte die Welle von Streiks und Protesten nicht leicht unter Kontrolle gebracht werden. Sogar nach dem 17. Juni, gab es Demonstrationen in mehr als 500 Städten und in Dörfern. “]
( http://en.wikipedia.org/wiki/Uprising_of_1953_in_East_Germany ).
Während des Prager Frühlinges, d.h. der Invasion der Warschauer Pakt-Truppen in die damalige Tschechoslowakei 1968, um die politischen Liberalisierung zu unterdrücken und zu beenden, wurden 72 Menschen getötet.
( http://en.wikipedia.org/wiki/Prague_Spring#Soviet_reaction )
WESTEUROPA
Todesfälle bei Polizeieinsätzen im Rahmen von Demonstrationen während der angegebenen 60-Jahr-Periode sind wahrscheinlich auf Grund der äußerst geringen Zahl eigentlich vernachlässigenswert. Meine subjektive Vermutung ist, dass sich die Zahl der Todesfälle im Bereich unterhalb der Zahl 10 im gesamten westeuropäischen Bereich bewegt.
Der Exaktheit halber:
ZWEI STATISTISCHE AUSREISSER
Allerdings ergeben sich sowohl für Westeuropa als auch für den kommunistischen Ostblock zwei statistische Ausreßer für die genannte Perios.
‚Kommunistischer‘ Ostblock / UNGARN
Während des Ungarnaufstands wurden über 2.500 Ungarn und 700 sowjetischen Soldaten wurden im Konflikt getötet, und 200.000 Ungarn flohen als Flüchtlinge.
( http://en.wikipedia.org/wiki/Hungarian_Revolution_of_1956 )
Westeuropa / FRANKREICH
Eine untypische Ausnahme hier ist Frankreich zur Zeit des Anti-Kolonialkampfes der Algerier, als in Frankreich ansässige Algerier, die i.d.R. nicht über die französische Staatsbürgerschaft verfügten, in Paris demonstrierten:
„Das Massaker von Paris 1961“, als auf Anordnung des Chefs der Pariser Polizei, Maurice Papon, französischen Polizeikräfte eine friedliche aber nicht genehmigte Demonstration von ca. 30.000 Algeriern attackierten. Nach 37 Jahren des Ableugnens bestätigte 1998 die französische Regierung 40 Todesfälle, obgleich Schätzungen sich auf 200 Todesfälle belaufen.
[Nebenbemerkung: Maurice Papon war für Verbrechen gegen Menschlichkeit für seine Teilnahme an der Zwangsverschickung von über 1600 Juden während des Zweiten Weltkrieges überführt worden, als er Generalsekretär für Polizei der Präfektur von Bordeaux war]
( http://en.wikipedia.org/wiki/Paris_massacre_of_1961 )
Korrektur 1. Satz:
AntwortenLöschenWährend der Demonstrationen im Anschluss an die Wahlen im Sommer wurden im Iran laut Oppositionsquellen 72 Leute getötet wurden, laut Regierungquellen reduziert sich die zugegebene Anzahl der Toten auf 36.
@Publicola:
AntwortenLöschenzu 1: Mich wundert es immer noch woher Sie die Vermutung hatten. Kann es sein, dass Sie es gehört und vergessen hatten, und unbewusst doch wussten?
Danke für diese informative Texte