Samstag, 22. Mai 2010

Mousavi und die Möglichkeit der Verhaftung

Betrachten wir ein paar Fakten:

1. 175 Parlamentsabgeordnete verlangten letzte Woche in einem Brief an den iranischen Justizchef Sadegh Larijani eine gerichtliche Verfolgung der "Führer des Aufruhrs"; so nennen die Hardliner Mousavi, Karroubi und den Ex-Präsidenten Khatami.

2. Zuerst wurde der Leiter von Mousavis Leibwächtern verhaftet. Mousavi rechnete mindestens mit einem Hausarrest.

3. Die iranischen Behörden dementierten die Nachricht der Verhaftung. Diese Nachrichtenagenturen haben bisher öfter falsche Nachrichten verbreitet und sind deshalb nicht glaubwürdig.

4. Sadegh Larijani reagierte auf den Brief der Parlamentsabgeordneten: "Wir wissen was wir zu tun haben", "Wie können Sie von der Spitze des Justizsystems [Larijani selbst], die vom Revolutionsführer in diese Position bestellt wird erwarten, dass sie [Larijani selbst] gegen die Meinung des Revolutionsführers zu handeln?"

Bisher wusste man zwar, dass Chamenei sich gegen die Verhaftung von Mousavi und Karroubi entschied, offiziell wurde dies aber von keinem hochrangigen Politiker bestätigt.

5. Reaktionen auf die Nachricht der möglichen Verhaftung waren groß. Twitter, Facebook (insbesondere Mousavis Fan-Seite), Telefon und Blogs waren die Mittel zur Verbreitung der Nachricht. Auf Mousavis Facebook-Seite stand, wie immer, wenn die Wahrscheinlich einer Verhaftung Mousavis groß wird: "falls einer der Oppositionsführer verhaftet wird: von Enghelab bis Azadi", übersetzt: "von Revolution bis Freiheit". Sehr zweideutig: gemeint ist eigentlich von Revolutionsplatz bis Freiheitsplatz zu marschieren.

Möglicherweise wollte die Regierung genau diese Reaktionen noch einmal betrachten, um die Situation besser einzuschätzen. Die Regierung hat große Angst vor dem Jahrestag der Wahlmanipulationen am 12. Juni. Vom 12. bis zum 15. Juni sind große Demonstrationen geplant, und danach der Jahrestag der ersten Todesopfer der grünen Bewegung wie Neda. Ich schreibe in diesem Blog selten Vorhersagen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die Juni-Demonstrationen groß sein werden. Darüber werde ich noch berichten.

3 Kommentare:

  1. Brutalisierung der politischen Kultur - eine Hypothese


    Feststellen lässt sich offensichtlich eine "Brutalisierung" der politischen Kultur sowohl hinsichtlich des Einsatzes und Niveaus der Gewalt im Exekutiv- und Judikativ-Bereich wie auch im Bereich der politischen Meinungsbildung bzw. politischen Meinungstoleranz.

    Die regierungsamtlichen paramilitärischen Kräfte, Basiji und Revolutionäre Garden, verdanken ihre Entstehung und Raison d'être dem Krieg zwischen Irak und Iran.
    Die Mehrheit der Parlamentsmitglieder und derzeitigen den Ton angebenden Politiker scheinen mit diesem paramilitärischen Gesellschaftsbereich in enger faktischer oder ideologischer Verbindung (Mitgliedschaft) zu stehen.
    [Natürlich ist das gleichzeitig vermutlich auch eine Generationsfrage.]

    Vermutlich hat sich in Friedenszeiten eine Art soldatischer Kriegskameradschaft in ein innenpolitisches Verschwörertum umgewandelt,
    der politische Gewalt nichts anderes als die Fortsetzung des Krieges mit einer ähnliche Fronststellung, einer ähnlichen Einstellung und ähnlichen Mitteln erscheint.

    Die in der Nachkriegszeit weiterwirkende militärische-militaristische Atmosphäre und konfrontative außenpolitische Sichtweise scheint dazu geführt zu haben,
    dass die extreme Feindschaft und Gewalt im Krieg
    nun in Friedenszeiten einen Prozess der Entmenschlichung des politischen Gegners nahelegt, ermöglicht und plausibel erscheinen lässt.

    Ein zu beachtender und einzufordernder Respekt für vergangene persönliche, berufliche, politische Lebensleistung scheint angesichts dessen irrelevant: eine gesellschaftlich-pädagogisch hochriskante Dekonstruierung wichtiger Wertesysteme findet statt

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  2. Die Frage ist, ob die Parlamentsabgeordnete wirklich einverstanden sind, oder aus vielen, eventuell unterschiedlichen Gründen keinen Widerstand leisten.

    Zu den Revolutionsgarden: es gibt Behauptungen, dass ihre Mehrheit mit der aktuellen Politik nicht einverstanden ist (z.B. Sazegara, der früher hochrangiger Politiker bei der Sepah war. Ob man sich darauf verlassen kann, weiß ich nicht). Der Leiter von Mousavis Leibwächtern gehört bestimmt zu Solchen.

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  3. Herzlichsten Dank für die notwendigen Ergänzungen, Klarstellungen und Korrekturen Ihrerseits!

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